Maria Himmelfahrt

Liebe Landsleute! Die Evangelien berichten wohl ausführlich über den Tod, die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu. Sie schweigen aber beharrlich über das Lebensende Mariens. Sie verlieren kein Wort über ihr Sterben – über die Erweckung und Verklärung ihres Leibes – über ihre Aufnahme mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels. Wie im irdischen Leben und Wirken Jesu, so blieb Maria auch in den Anfängen der Kirche zunächst im Hintergrund. Doch ihre Stunde kam. Mehr und mehr begann sie in das gläubige Bewusstsein der Kirche, der gläubigen zu treten – zu leuchten als das Anschau8ungsbild – als die Ikone des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Der Chor derer, die ihr prophetisches Wort: „Von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter“ wahr machen, wächst im laufe der Jahrhunderte gewaltig an, vor allem seit das Konzil von Ephesus (431) den schon im zweiten Jahrhundert bezeugten Titel „Gottesgebärerin“ feierlich bestätigte. Im Osten feierte man bereits seit dem sechsten und in Rom seit dem siebten jahrhundert das Fest „Mariä Heimgang“ – doch schon bald, bereits im achten jahrhundert, als Fest der leiblichen Aufnahme in den Himmel. Was darum Papst Pius XII. am 01.11.1950 als „Glaubenssatz“ (Dogma) verkündete, ist nichts anderes als das Ja und Amen des Lehramtes der Kirche bezüglich der Würde und Stellung Mariens in der Geschichte Gottes mit uns Menschen. Maria ist die Ikone, durch die uns Gott schauen lässt, was er in der Menschwerdung und Erlösung durch Jesus Christus uns zugedacht. Im Schauen auf sie öffnet sich unser Blick in jene Zukunft, die uns allen verheißen ist. Was jene Frau aus dem Volke ahnte, als sie in der Begegnung mit Jesus spontan in die Worte ausbrach: „Selig der Leib, der dich getragen …!“, das tritt mehr und mehr in das Bewusstsein der christlichen Gemeinde, der Gläubigen, der Kirche. Der Heilige Geist, der an Pfingsten auf die junge Kirche herab kam und sie mit Leben und Kraft erfüllte, der die Kirche seither leitet und sie in alle Wahrheit einführt – er ist es auch, der im wachsenden Glaubensverständnis der Kirche Maria als die Erst- und Vollbegnadete kundtut und uns die ihr von Gott gegebene Größe und ihre Vorzüge erkennen lässt – dies auch im Festgeheimnis ihrer leiblichen Aufnahme in den Himmel.
So ist aus dem christ-katholischem Denken und Leben Marienverehrung, Marienfrömmigkeit nicht wegzudenken. Auch wir Böhmerwäldler erinnern uns gerne daran, dass das Fest Maria Himmelfahrt zu den besonderen Glanztagen kirchlichen Lebens in unseren Gemeinden gehörte.
Wir feiern das Fest Maria Himmelfahrt mitten im Monat August und verbinden damit den alten Brauch der Kräutersegnung. Die geschichtlichen Wurzeln des Brauches, Kräuter und Blumen zu kleinen Buschen oder zierlichen Kränzen zu binden und zu segnen, liegen wohl im Dunkeln. Vielleicht sind damit ursprünglich Überlieferungen eines alten Erntefestes verbunden – zudem gerade die germanischen Erntefeste oft mit dem 15. August – „Erntemond“ – zusammenfielen. Von jeher weiß man ja auch um die vielfältige Heilkraft bestimmter Kräuter, von deren Verwendung und Anwendung man sich Gesundheit und Wohlergehen erhofft.
Da lag es wohl nahe, dass man das Fest der Aufnahme Marias in den Himmel mit diesem Datum verbunden hat – in der Erntezeit feiert. Denn Maria ist nicht nur „die gute Erde“, die den Erlöser der Menschen hervorgebracht hat, den heiland der Welt – sie ist auch die kostbarste Frucht, die überreiche Erntegarbe der Erlösung. Künstler drücken das auf ihre Weise aus, wenn sie Maria in einem Ährenkleid darstellen. – Zudem verehren wir Maria als die „geheimnisvolle Rose“ (Lauretanische Litanei), deren Schönheit und Duft (voll der Gnade) uns für die uns Heil und Leben spendende Gnade Gottes öffnen will. Dabei sollen wir nicht übersehen: Die Kräutersegnung an diesem Festtag will uns auch daran erinnern, dass alles, was um uns herum grünt und blüht, Herz und Sinn für die Schönheit der Schöpfung – und darin letztlich für den Schöpfer öffnen soll. Wie sehr hat Franz von Assisi dies verstanden, wenn er in seinem Lobpreis der Schöpfung (Sonnengesang) singt: „Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns ernährt und lenkt und mannigfaltige Frucht hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter!“
Ich denke, das Fest Maria Himmelfahrt will unseren Blick ganzheitlich öffnen: Für die Schönheit der Schöpfung Gottes, gerade auch in der Vielfalt der „Blumen und Kräuter“ – aber auch dafür, dass unser eigenes Leben fruchtbar werde, ja erblühe für die Ewigkeit. Dazu sei uns Maria Vorbild und Helferin.

Es grüßt Sie Ihr Landsmann,

P. Edmund Schrimpf, Kapuziner, Seelsorger im Altenheim und Klinikum Dritter Orden, Menzinger Straße 48, 80638 München,
Tel. 089/17911-278

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