Liebe Leserschaft von Glaube und Heimat

Seit über zwei Monaten bin ich nun schon in Afghanistan, um die deutschen Soldaten im Bereich der Stadt Mazar-e Sharif seelsorglich zu begleiten. Islamische Republik Afghanistan lautet die offizielle Bezeichnung des Staates, damit ist klar die Religion, der Glaube und die daraus erwachsenden Verpflichtungen prägen das Leben der Menschen vom Tagesablauf bis hinein in die staatliche Gesetzgebung. Religion ist hier keine Privatsache sondern Teil des öffentlichen Lebens. Die Stadt Mazar-e Sharif gehört mit zu den wichtigsten Wallfahrtstätten der islamischen Welt, da hier im Zentrum die sogenannte „Blaue Moschee“ steht, ein großartiges Bauwerk, in dessen Mitte sich das Grabmal von Ali ibn Abi Talibs befindet, dem Schwiegersohn des Propheten Mohammed. Ich war schon einige Male eingeladen diesen Ort zu besuchen und staunte über die vielen Menschen, Junge und Alte, Männer und Frauen, Wohlhabende und bitter Arme, die sich hier treffen, um einzeln zu beten oder sich am Freitag zum gemeinsamen Gebet treffen. Die Gespräche mit dem Imam (dem Vorbeter beim Gottesdienst) und dem Mullahwi (dem Religions- und Gesetzeslehrer) sind interessant aber natürlich auch spannend im wahrsten Sinn des Wortes. Treffen doch im christlich muslimischen Dialog zwei Religionen zusammen, die Gemeinsamkeiten haben, die sich aber in wesentlichen Inhalten deutlich unterscheiden. Die 5 Säulen des Islam, nämlich das Glaubensbekenntnis, das tägliche Gebet, das Fasten, Almosen geben, und Wallfahrten, sind Grundvollzüge, die ebenso dem Christentum eigen sind. Trotzdem bleiben Unterschiede, z.B. in der Bedeutung des Korans und der Bibel. Welche Stellung haben Mohammed und Jesus, Prophet und Sohn Gottes? Das wirkt sich im Wesentlichen auf das jeweilige Gottesbild aus. In beiden Religionen wird der unteilbare eine Gott anbetet. Als Christen gehen wir dabei eben einen Schritt weiter, der Gott zwar nicht dreiteilt, ihn aber als einen Gott in drei personalen Begegnungsformen, für Muslime unverständlich, ja unannehmbar macht.

Respekt voreinander und trotzdem sich zum jeweils eigenen Glauben zu bekennen, ist eine Gratwanderung und gleichzeitig absolut notwendig in solchen Begegnungen. Denn nichts ist den Menschen hier unbegreiflicher als gar keinen Glauben zu haben oder nicht zum Glauben zu stehen. Eine nicht unbegründete Angst der religiösen Führer hier im Land liegt darin, dass der Einfluss der „westlichen Welt“, den Menschen keinen Segen bringt, ja, dass dann auch hier neue Götzen Einzug halten, die wir in Europa schon lange kennen und die in weiten Bereichen den Glauben, die Werte und das Menschenbild ersetzen.

Als dieses große deutsche Lager nahe der für den Islam bedeutenden Stadt gebaut wurde, war auch die Frage einer Kirche für die Soldaten lange diskutiert worden. Es wird ja aus bestimmten, uns feindlich gesinnten Kreisen, immer wieder der Vorwurf laut, ISAF-Soldaten würden einen Kreuzzug gegen den Islam führen und setzen hier im Zentrum von Mazar-e Sharif an. In Abstimmung mit den geistlichen Autoritäten hier, fand man bei einigen Gegenstimmen, eine deutliche Zustimmung zu diesem Vorhaben. Zwar stehen wir nicht im Einklang mit dem Koran, aber christliche Soldaten werden hier durchaus respektiert, sie werden zwar nicht als Gläubige im strengen Sinn, aber auch nicht als Gottlos betrachtet und dass sie einen eigenen „Imam“ oder „Mullahwi“ dabei haben, wird als gut befunden.
Die schlichte christliche Gebetsstätte auf muslimischen Boden trägt den offiziellen Namen Haus Benedikt (Benedikt von Nursia), und ist ein siebeneckiges Bauwerk mit einem zeltförmigen nach oben offenen Dach. Wir richten uns hier nicht ein, wir sind auf dem Weg und brechen von hier auch wieder auf, wenn unser Dienst erfüllt ist. Im Übrigen arbeiten in unsrem Camp mehrere hundert zivile Ortskräfte, denen natürlich auch Zelte zum Gebet eingerichtet wurden, und man kann über den Tag immer wieder sehen, wie die Gläubigen ihre Arbeit kurz unterbrechen und sich zum Gebet niederlassen und sie so Zeugnis von ihrem Glauben geben. Das wird von den Soldaten durchaus wahrgenommen leider aber oft nicht verstanden. Ja manchmal wäre ich froh, wenn auch meine Soldaten so eifrig ihren Glauben pflegen würden. Nicht den Glauben an sich selbst, an das persönlich Machbare, oder die nächste Beförderung und das Geld, sondern den Glauben an den einen Gott, der uns als seine Kinder ins Herz gelegt ist. Leider scheint er heute oft von so vielen Dingen verschüttet oder wird im menschlichen Machbarkeitsdenken erstickt.
Wie kann der Glaube heute gelebt und als Lebenshilfe erfahren werden, getragen aus einer freien Entscheidung? Zwei Soldaten bereiten sich derzeit auf die Taufe vor. Ihnen ist dieses Geschenk in Kindertagen nicht zuteilgeworden, weil die DDR das für überflüssig, ja sogar für gefährlich hielt. Diese beiden sind zum Glauben gekommen nicht aus Büchern oder durch einen strengen Militärpfarrer, sondern weil sie das Glück hatten jeweils durch die Ehepartnerin in ein christliches Umfeld zu kommen, wo Glaube kein Zwang und keine Last darstellt, sondern zum Leben dazugehört und dadurch nach außen strahlt und Menschen ganz natürlich für Christus gewinnt. Daraus hat sich für beide der Wunsch herausgebildet, durch die Taufe voll in die Gemeinschaft der Glaubenden aufgenommen zu werde. Sie nutzen die Zeit hier im Einsatz, um gegen Ende das Sakrament zu empfangen. Damit setzen sie ein Zeichen vor ihren Kameraden.

Menschen für Gott gewinnen – Menschenfischer sein, nicht Rattenfänger mit leeren Versprechungen, das ist unsere wichtigste Aufgabe. „Fürchtet euch nicht vor den Menschen“, das ruft uns Jesus im Evangelium zu. „Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet am hellen Tag … und wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater bekennen“ (Mt 10, 26ff).

Christen brauchen sich nicht zu verstecken. Das Evangelium, ist kein Zwang sondern eine frohe Botschaft, welche die Menschen ruft und nicht abweist, die trägt und nicht niederdrückt, die Freiheit schenkt und nicht fesselt, die uns in eine Zukunft führt und nicht im Irdischen verenden läßt.

So möchte ich euch alle ermuntern, sich nicht zu verstecken, und verschämt den Mund zu halten, um nicht anzuecken, sondern freimütig zu zeigen welche Kraft, Hoffnung und Lebensfreude der Glaube an Gott den Vater, den Sohn und den heiligen Geist schenkt.

Herzliche Grüße

Euer Siegfried Weber, Militärpfarrer
Vorsitzender

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